Existenzgründung im Einzelhandel
Der Einzelhandel ist tot! Hurra, es lebe der Einzelhandel. Wenn die Zukunft des stationären Einzelhandels prognostiziert wird, dann ist alles möglich, von düsteren Untergangsszenarien bis hin zu einer chancenreichen Entwicklung. Tatsächlich wird, allen Unkenrufen zum Trotz rund jedes fünfte Unternehmen im Einzelhandel gegründet. Dabei sind die Herausforderungen gewaltig und reichen von stark steigenden Mieten in lukrativen Innenstadtlagen bis hin zu nahezu unberechenbaren Konsumgewohnheiten. Wer als Gründer allerdings auf die richtigen Produkte setzt, über Fachkenntnisse verfügt und Kundenservice als Anspruch versteht, der darf immer noch voller Zutrauen in die Zukunft blicken.
Deutschlands Einzelhandel mit seinen mehr als 300.000 Unternehmen besteht mehrheitlich aus kleinen und mittleren Betrieben, die zusammen rund drei Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen sowie etwa 150.000 junge Menschen ausbilden. Und noch ein paar Zahlen, die Auskunft über die Bedeutung des Einzelhandels in seiner Gesamtheit geben. Im vergangenen Corona-Jahr lag der Anteil des Einzelhandels am gesamten Bruttoinlandsprodukt bei 17,3 Prozent. Das reicht für ein Platz auf dem Treppchen, denn alle Einzelhandelsunternehmen zusammen stellen den drittgrößten Wirtschaftszweig in Deutschland dar, der 2020 mehr als 577 Milliarden Euro umgesetzt hat. Der Onlineanteil liegt bei etwa 71,5 Milliarden Euro, was einer Steigerung um 20 Prozent innerhalb eines Jahres entspricht. Was diese Zahlen allerdings nicht verraten. Der stationäre Einzelhandel in Deutschland hat viele Gesichter von bundesweit vertretenen Filialisten über internationale Konzerne mit ihren Verkaufsstellen über Flagship-Stores bis hin zum kleinen Fachhändler in der Nachbarschaft ist alles vertreten. Sie alle buhlen um das Geld der Konsumenten, allerdings mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen.
Chancen und Risiken der Existenzgründung im Einzelhandel
Zu den größten Bedrohungen des stationären Einzelhandels gehört sicherlich der Onlinehandel. Gleichzeitig bietet die Möglichkeit, seine Waren neben dem Geschäft zusätzlich im Internet zu veräußern, auch Chancen. Das schafft mehr Handlungsspielraum, mehr Umsatzpotenzial und dadurch etwas mehr Unabhängigkeit. Tatsächlich hat der Online-Anteil im Einzelhandel in den vergangenen zehn Jahren immer weiter zugenommen und wird laut Studienlage in den kommenden fünf Jahren weiter ansteigen. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung noch mal beschleunigt und Änderungen im Kundenverhalten hervorgerufen, die sich nach Einschätzung von Experten verstetigen werden. So könnte 2026 bereits jeder dritte Euro online ausgegeben werden.
Dennoch ist das klassische Fachgeschäft noch immer der meistgenutzte Vertriebskanal des Einzelhandels. Aber, das zeigt die Studie „Der Handel im Jahr 2021: Lehren und Folgen aus der Corona-Pandemie für den deutschen Einzelhandel“ (ibi-research Universität Regensburg), stellen sich Einzelhändler zunehmend auf die neue Herausforderung ein. Demnach plant rund ein Drittel der über 200 befragten Händler zukünftig zusätzliche Vertriebswege zu etablieren, um sich damit vom rein stationären Handel etwas unabhängiger zu machen. Das bedeutet vor allem, die Sichtbarkeit im Internet zu erhöhen, beispielsweise durch die Nutzung von sozialen Netzwerken, aber auch konkret die Produkte in einem eigenen Online-Shop oder über Online-Plattformen zu verkaufen.
Handel bedeutet Wandel
Damit ist auch schon eine der wichtigsten Eigenschaften für Erfolg im stationären Einzelhandel beschrieben. Nur wer sich ständig an die veränderten Rahmenbedingungen anpasst, wird sich mit seinem Geschäft durchsetzen. Kaum ein anderer Wirtschaftszweig ist derart abhängig von äußeren Einflüssen, Trends und Verbrauchergewohnheiten. Feine Antennen für diese Entwicklungen sowie die Bereitschaft, immer wieder neue Wege zu gehen, kennzeichnen deshalb ein erfolgreiches Einzelhandelskonzept. Gründer, die genau diese Voraussetzungen mitbringen, sind im Einzelhandel richtig aufgehoben.
Die Zukunft des Einzelhandels liegt also im Multi Channel-Vertrieb, bei dem das Ladengeschäft ein wichtiger Teil ist, aber eben nur ein Teil des Gesamtkonzepts. Davon ist auch der Einzelhandelsverband überzeugt, dessen Einschätzung auf eigenen Studien und Analysen beruht. Zentrale Erkenntnis ist dabei immer die Verknüpfung von Online- und Offline-Welt. Händler, die sich dieser Entwicklung verweigern, werden auf mittlere Sicht das Nachsehen haben. Aber auch wenn die Bereitschaft vorhanden ist, wird aus dem Cross-over-Vertriebskonzept noch kein Selbstläufer. Das Warenangebot, die Preisstrategie, das Einkaufserlebnis vor Ort und der Kundenservice müssen ineinandergreifen, um Kundenvertrauen aufzubauen. Ein Geschäftskonzept nur über den Preis wird angesichts übermächtiger Konkurrenz aus dem Netz keinen Erfolg haben. Vielmehr müssen Existenzgründer bei ihrer Planung das Kundenerlebnis in den Mittelpunkt stellen. Beispielhaft sei hier der Buchhandel genannt, der in direkter Konkurrenz zu Amazon seine Nische suchen muss. Spezialisierung ist dabei ein mögliches und erfolgsversprechendes Konzept. Das Buch auch zum Erlebnis machen, dabei ist der stationäre Handel klar im Vorteil, beispielsweise durch Veranstaltungen, bei denen Autoren vor Ort sind und aus ihren Büchern vorlesen oder ihre Thesen mit dem Publikum diskutieren. Der Fantasie sind praktisch keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, erfolgversprechende Handelskonzepte zu realisieren. So lässt sich ein Zitat frei interpretiert auf den Handel übertragen: Wer verkauft hat Recht!
Preismanagement für Einzelhändler
Ungeachtet der zahlreichen Faktoren, die eine erfolgreiche Gründung im stationären Einzelhandel ausmachen, am „richtigen“ Preis kommt man nicht vorbei. Der Preis ist das zentrale Instrument im Handel und wird dabei als Tauschwert eines Gutes verstanden. Mindestens so wichtig wie der Verkaufspreis ist aber der Preis, zu dem die Waren beschafft werden. So lautet auch eine der ältesten Kaufmannsweisheiten, dass der Gewinn im Einkauf liegt. Das gilt für viele Unternehmen im Handel aber ganz besonders. Aus der Spanne zwischen Einkauf und Verkauf muss der Einzelhändler seine Kosten bestreiten können und seinen Unternehmensgewinn erwirtschaften. Mit welchen Preisstrategien Gründer dabei vorgehen können, haben wir bereits in einem anderen Blogpost behandelt. Im Einzelhandel ist das Preismanagement von zentraler Bedeutung und ein ständiger Prozess. Immer wieder müssen die richtigen Preise gefunden und justiert werden. Das gilt übrigens auch für Rabatte, denn auch die müssen verdient werden. Rabatte sollten deshalb immer eine klare verkaufsfördernde Wirkung erzielen und nicht zum Standardrepertoire des Einzelhändlers gehören.
Förderung für Existenzgründungen im Einzelhandel
Existenzgründer, die sich mit einem stationären Fachgeschäft selbstständig machen wollen, werden bei Banken oft nur Kopfschütteln und Desinteresse erleben. Zu riskant scheint den Banken heute die Finanzierung von Einzelhandelsgeschäften mit ihrem teilweise recht hohen Finanzierungsbedarf. Genau das ist eine der Stolpersteine für gründungswillige Einzelhändler. Eine ansprechende Ladenausstattung, der professionelle Online-Auftritt mit Shopsystem und ein Lagerbestand kosten viel Geld und können je nach Unternehmensgröße schnell einige Hunderttausend Euro ausmachen, aber auch die Millionengrenze überschreiten. Einzelhändler können diese Verbindlichkeiten aber nicht schrittweise angehen, denn zur Ladeneröffnung muss alles funktionieren und verfügbar sein. Sicher kann man mit einzelnen Lieferanten Kommissionen oder Rücknahmen vereinbaren, in der Regel müssen die Einzelhändler ihren Warenbestand aber vollständig finanzieren und je nach Branche schon sehr frühzeitig hohe Verbindlichkeiten eingehen. So ist es in manchen Branchen üblich, die Ware auf den einschlägigen Messen bereits für das kommende oder übernächste Jahr zu ordern. Gerade bei Waren, die Trends und Moden folgen, ist das feine Gespür des Händlers und Einkäufers ausschlaggebend für den späteren Verkaufserfolg. Wer an dieser Stelle falsch entscheidet, bleibt auf der Ware sitzen oder kann sie nur noch mit großen Abschlägen loswerden.
In den Förderprogrammen der öffentlichen Hand, wie sie beispielsweise von der NRW-Bank oder der KfW angeboten werden, ist die Finanzierung einer Ladenausstattung und eines Warenbestands vorgesehen. Der Antrag wird immer über die Hausbank eingereicht. Worauf dabei zu achten ist und welche Förderprogramme angeboten werden, haben wir in separaten Blogposts erläutert. Auf jeden Fall gilt auch für die Inanspruchnahme von Fördermitteln, dass ein aussagekräftiger Businessplan das Konzept erläutert und den Finanzierungsbedarf klärt. Wie das geht, zeigen Gründungsberater und unterstützen bei der Umsetzung.