Von der Idee zum Verkauf – Wie finden Existenzgründer ihre Kunden
Der Businessplan steht, die Formalitäten sind erledigt und die Geschäftsräume sind eröffnet. Das einzige, was jetzt noch fehlt, ist der erste Kunde.
Existenzgründer sind von ihrer Idee, ihrem Produkt oder ihrer Dienstleistung überzeugt. Das ist gut und eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensgründung. Idealerweise wurde für den Businessplan bereits eine Zielgruppenanalyse durchgeführt und der Markt sondiert. Doch das ist alles Theorie, wenn das eigene Produkt an den Mann oder die Frau gebracht werden muss.
Junge Unternehmen haben meist kein Budget für umfassende Marktforschung, um bereits im Vorfeld die Marktchancen einzuschätzen und ebenso wenig für weitreichende Werbekampagnen. Sie sind auf kreative Lösungen angewiesen und auf ihre eigene Überzeugungskraft. Der erste Kunde ist für die meisten Unternehmer ein unvergessliches Ereignis. Noch Jahrzehnte später können sie sich oftmals an diesen Moment erinnern.
Kundenperspektive einnehmen
Doch obwohl Kundengewinnung in jedem Unternehmen höchste Priorität hat, tun sich Existenzgründer oft sehr schwer damit. Ein weit verbreiteter Fehler – nicht nur bei Gründern – ist die Fokussierung auf das eigene Angebot, anstatt die Bedürfnisse potenzieller Kunden zu betrachten. Die Werbelegende Leo Burnett hat einmal gesagt: „Sagt den Leuten nicht, wie gut ihr die Güter macht, sagt ihnen, wie gut eure Güter sie machen.“ Damit spricht Burnett genau diese Kundenperspektive an. Erfolgreiche Unternehmen haben das verstanden und richten ihre Marketing- und Vertriebsaktivitäten danach aus. Was können Existenzgründer von ihnen lernen?
Existenzgründer müssen lernen zuzuhören. Gerade die Reaktionen der ersten Kunden auf die angebotenen Produkte oder Dienstleistungen sind sehr wertvoll. Zugegeben, negative Kritik kann die Euphorie in der Gründungsphase ganz schön dämpfen. Wer aber jetzt genau zuhört, hat schon gewonnen, denn jede Form von Feedback gibt dem Gründer einen Einblick in die Bedürfnisse seiner Kunden. Erfahrene Vertriebler wissen um den Wert konstruktiver Kritik und nehmen Rückmeldungen dankbar entgegen. Nur so können Unternehmen feststellen, wie gut ihre Produkte bei Kunden ankommen, wo sie eventuell nachbessern müssen oder wo sich vielleicht eine Nische für neue Produkte zeigt. Ohne Feedback bleibt die Haltung der Kunden im Dunkeln, schlimmstenfalls werden die Produkte einfach nicht gekauft.
Kritik ist also die kostenlose Marktforschung für Existenzgründer. Allerdings sollten Gründer ebenso offen und aktiv mit Kritik umgehen. Denn auch das wirkt sich auf den Verkaufserfolg aus. Kunden schätzen Offenheit und strafen fehlende Kundennähe gnadenlos ab. Das hat Auswirkungen, denn wie wir inzwischen aus der Forschung wissen, erzählen Kunden negative Erfahrungen rund 10-mal weiter, positive Erfahrungen werden dagegen mit bis zu 20 Menschen geteilt. So kommt der nächste Kunde vielleicht von ganz alleine.
Sichtbarkeit herstellen
Jetzt wissen wir, wie man mit neuen Kunden umgehen sollte, dadurch hat sich aber noch kein Kunde in unser Geschäft verirrt oder zum Telefon gegriffen. Dafür kommt erst mal das grundsätzliche Instrumentarium des zeitgemäßen Marketings zum Einsatz. Die einfache Formel lautet: Sei da, wo deine potenziellen Kunden sind. Damit kommen wir wieder zum Thema Kundenbedürfnisse. Als Jungunternehmer sollte man seine Kernzielgruppe benennen können. „Irgendwie alle, denen meine Produkte gefallen“, ist keine erfolgversprechende Strategie. Vielmehr sollte die Zielgruppe so genau wie möglich identifiziert werden. Je besser das gelingt, umso einfacher findet man seine Kunden und kann an den richtigen Stellen – im Internet oder der realen Welt – auf sich aufmerksam machen. Entscheidend ist die Sichtbarkeit.
Die Customer Journey verstehen
Der Weg zum ersten Kunden ist nur der erste Schritt auf einer nicht mehr endenden Reise. Kundengewinnung ist ein fester Bestandteil unternehmerischen Handelns. Deshalb stehen Existenzgründer vor der Aufgabe, diesen Prozess zu verstehen, zu optimieren und zu automatisieren. In unserer digitalen Welt wird ein großer Teil der Kaufentscheidungen im Internet vorbereitet oder sogar getroffen. Ohne Online-Präsenz kann heute kein Unternehmen mehr geführt werden. Für junge Unternehmer Fluch und Segen zugleich. Zwar müssen sie sich auch im Internet gegen die Konkurrenz durchsetzen, dafür haben sie mehr Möglichkeiten, die Aufmerksamkeit von Kunden zu gewinnen.
Für den Erfolg ist es entscheidend, den Kaufprozess zu verstehen und das Kundenverhalten in bestimmten Situationen richtig zu interpretieren. Dafür sind in der Praxis zwei Begriffe im Umlauf. Der Sales oder Marketing Funnel und die Customer oder Buyers Journey. Beides illustriert den gleichen Prozess allerdings aus unterschiedlichen Perspektiven. Der Sales Funnel beschreibt die innerbetriebliche Sicht, also die Perspektive des Verkäufers (Existenzgründers), während die Customer Journey den Prozess aus der Perspektive des Käufers betrachtet. Beide Wege sollen zum gleichen Ziel führen, der Leadgenerierung und aus einem Interessenten einen Kunden machen – auch Conversion genannt.
Eine Menge Marketing-Buzzwords von denen es noch viel mehr gibt. Doch davon sollten sich Existenzgründer nicht irritieren lassen. Im Kern geht es darum, das Kaufverhalten potenzieller Kunden zu verstehen und an den sogenannten Touchpoints, also den Punkten, an denen der Interessent zu einer weiteren Handlung bereit ist, die richtigen Maßnahmen anzubieten. Konsumenten entscheiden sich in der Regel nicht sofort zum Kauf, sondern werden aufmerksam, überlegen, vergleichen und wägen ab.
Diesen Verlauf bildet die Customer Journey ab. Sie lässt sich grob in drei Phasen einteilen: 1. Die Phase der Aufmerksamkeit (Awareness), 2. die Phase der Überlegung (Consideration) und 3. der Kauf (Conversion). In jeder Phase hat der Kunde andere Erwartungen, die richtig interpretiert und erfüllt werden wollen. Das gilt im Übrigen nicht nur in der Onlinewelt, sondern ebenso in einem Ladenlokal. Für Fortgeschrittene lässt sich die Customer Journey noch weiter analysieren. Ist der Kunde nach dem Kauf mit dem Produkt oder der Dienstleistung zufrieden (Retention), wird er unter Umständen anderen von seiner positiven Erfahrung berichten (Advocacy). Im Idealfall wird er zum Stammkunden und bringt sogar weitere Interessenten mit.
Exkurs Buyers Personas
Im Zusammenhang mit der Kundengewinnung wird meist von Zielgruppen gesprochen. Damit sind alle potenziellen Kunden gemeint, die mit bestimmten Marketingmaßnahmen angesprochen werden sollen. Sie werden beispielsweise nach sozioökonomischen, psychologischen oder demografischen Merkmalen ausgewählt. Weil eine Zielgruppe dadurch sehr unspezifisch bleibt, hat sich im Marketing das Konzept der Buyers Personas etabliert. Dabei soll der potenzielle Kunde quasi ein Gesicht bekommen. Eine Buyers Persona stellt also den idealtypischen Kunden mit seinen Wünschen, Erwartungen und Verhaltensweisen dar. Um diese fiktive Person zu erschaffen, können Daten aus Markt- und Meinungsforschungen herangezogen werden und auch eigene Erfahrungen einfließen. Das Konzept erleichtert es die eigenen Maßnahmen an den Kundenbedürfnissen auszurichten und das Verhalten der Kunden besser zu verstehen. Angewendet auf die Customer Journey wird es zu einem mächtigen Werkzeug in der Kundengewinnung.
Das hört sich alles nach einer Menge Arbeit an, um den ersten Kunden zu gewinnen. Tatsächlich ist die Gewinnung und Bindung neuer Kunde kein Sprint, sondern eher die Langstrecke. Aber anders als beim Langstreckenlauf sind die ersten Meter die schwersten und nach hinten raus wird es immer leichter.